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An Süddeutsche Zeitung

Auch Journalismus kann stinken

Von Dalvik, Island.

Den folgenden Artikel habe Ich an die Süddeutsche Zeitung geschickt. Sie haben nich einmal geantwortet....

Island gilt als kleines, abgelegenes Land, von dem der Rest der Welt wenig weiß, so dass es – kaum erstaunlich – von jeher ein dankbares Ziel für Fanatiker, Betrüger und Märchenerzähler ist. So schrieb Friedrich Engels beispielsweise im Dezember 1846 an Karl Marx über den Isländer, er wäre wie die „schmierigen Wikinger von Anno 900, säuft Tran, wohnt in einer Erdhütte und geht in jeder Atmosphäre kaputt, die nicht nach faulen Fischen riecht“. Ich bin, wie die meisten Isländer, Deutschland wohl gesonnen. Entsprechend befremdet war ich von einem durch und durch irreführenden Artikel über Island, den ich am 12. Mai in der ehrwürdigen Süddeutschen Zeitung las. Unter dem Titel „Stinkt vom Kopf her“, der Engels zweifellos gefallen hätte, geht es um das umstrittene große isländische Fischereiunternehmen Samherji.

In dem Artikel wird behauptet, dass das Unternehmen Samherji, zu dem ich übrigens in keinerlei persönlicher Beziehung stehe – weder finanziell noch anderer Art –, „eben erst verstrickt war in einen Skandal mit der Zentralbank“. Dahingegen wird die Tatsache verschwiegen, dass das Unternehmen im Jahre 2018 nach einer langwierigen Untersuchung vom Obersten Gerichtshof Islands von allen Vorwürfen freigesprochen wurde. Das Devisenkontrollgremium der Zentralbank hatte dem Unternehmen Geldstrafen auferlegt, da es angeblich gegen Regeln bei der Devisenbewirtschaftung verstoßen haben soll. Der Oberste Gerichtshof erklärte die Strafe für unrechtmäßig. Der eigentliche Skandal war jedoch in meinen Augen – und denen vieler Isländer – der unglaubliche Eifer, den das Devisenkontrollgremium an den Tag gelegt hatte und in dem es durchaus von Journalisten des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks befeuert wurde. So brachte das Gremium – wohl mit Hilfe von fadenscheinigem Dokumentationsmaterial dieser Journalisten – die Polizei dazu, Samherjis Hauptfirmensitz zu durchsuchen. Dabei wurde nichts Gravierendes gefunden. Ein isländischer Historiker hat unterdessen sogar ein Buch veröffentlicht, in dem er die Vorgänge als schonungslose Hexenjagd auf Samherji durch Eiferer bei der Zentralbank aufarbeitet. Ich möchte hinzufügen, dass ich von 2001 bis 2009, also lange vor diesen Geschehnissen, Mitglied des Aufsichtsrates der Zentralbank war, und dass ich große Vorbehalte gegen ein solches Vorgehen von Mitarbeitern der Bank gehabt hätte. 

Vollkommen unabhängig von diesem Fall gibt es nun einen neuen vermeintlichen Bestechungsskandal, bei dem Samherji angeblich Schmiergeldzahlungen an Politiker in Namibia geleistet und im Gegenzug Fischereilizenzen bekommen haben soll. In der Süddeutschen Zeitung wird suggeriert, dass die Pressefreiheit in Island in beiden Fällen durch wirtschaftliche Interessen bedroht wird. Diese Darstellung lehne ich ab. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Journalist des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks Helgi Seljan, von dem ein Großteil der Berichterstattung zu diesem Thema stammt und der früher ein aktiver Mitglied der Sozialdemokratischen Partei in Island war, gemeinhin als jemand wahrgenommen wird, der gegen Samherji zu Felde zieht. Er veröffentlichte in den sozialen Medien viele feindselige Kommentare in Richtung des Unternehmens, so dass sich der Ethikrat des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks gezwungen sah, ihn zu rügen: Im Pressecodex, der die ethische Grundlage für die Arbeit des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks darstellt, steht klar geschrieben, dass Journalisten zur Unparteilichkeit in Angelegenheiten verpflichtet sind, über die sie berichten.

Es steht außer Frage, dass Samherji sich heftig gewehrt hat – sowohl vor Gericht als auch mit groben Videos zu den Methoden, die der Öffentlich-rechtliche Rundfunk bei der Berichterstattung verwendet hatte und die Samherji als feindselig empfand. „Cet animal est très méchant: Quand on l’attaque, il se défend.“  Dies Tier ist sehr böse: Wenn Sie es angreifen, verteidigt es sich. Es stimmt auch, so wie es in der Süddeutschen Zeitung steht, dass ein freier Berater, der für Samherji tätig war, erstaunlichen Eifer an den Tag gelegt hat, als es um das Verschicken beleidigender Mitteilungen an Helgi Seljan ging – ein Vorgang, von dem Samherji keine Kenntnis hatte. Der Mann hat sich für sein Verhalten entschuldigt. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen dieser Lappalie auf der einen und der geballten Macht von Regierungsbehörden auf der anderen Seite, die die Möglichkeit haben, den Hauptfirmensitz durchsuchen zu lassen, Anschuldigungen zu erheben und jemanden Abend für Abend in den 8-Uhr-Nachrichten zu diskreditieren. Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein wackerer David. Er ist der Goliath der isländischen Medienlandschaft, der durch Zwangsabgaben der isländischen Haushalte finanziert wird und über fast 40 Prozent der Gesamteinnahmen im Rundfunksektor verfügt. Hinzu kommt, dass er – mehr als alle anderen Medien – der Verpflichtung unterliegt, unparteiisch zu sein.

Eine weitere irreführende Behauptung in dem Artikel bezieht sich auf den Chef der isländischen Zentralbank Ásgeir Jónsson, der „eben erst in einem aufsehenerregenden Interview mit Blick auch auf Samherji gesagt hatte, Island werde ‘in großem Maße von Interessengruppen regiertʼ“. Dieses Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen. Jónsson hat später betont, dass diese Äußerung nicht speziell auf Samherji abzielte. Selbstverständlich wird Island in weiten Teilen von Interessengruppen regiert – wie alle anderen modernen Demokratien auch. Zwei Dinge müssen jedoch klargestellt werden. Zum einen wird die Freiheit des Einzelnen in Island viel weniger von Samherjis Versuchen, sich selbst zu verteidigen, bedroht, als vielmehr von Angestellten des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Zentralbank und anderer Regierungsbehörden, die ihre Macht anscheinend verantwortungslos missbrauchen. „Quis custodiet ipsos custodes?” Wer wird die Wächter selbst bewachen? Die Pressefreiheit umfasst auch Samherjis Freiheit, die eigene Sache voranzutreiben, indem man Videos online stellt oder Anzeigen veröffentlicht. Zum anderen muss betont werden, dass Samherji keiner Gesetzesverstöße für schuldig befunden wurde. Das Unternehmen bestreitet alle Vorwürfe, die ein vermeintliches Fehlverhalten in Namibia betreffen. Die Anschuldigungen wurden von einem früheren Mitarbeiter erhoben, der 2016 entlassen wurde, und werden derzeit noch untersucht. Deshalb muss erneut betont werden, dass Menschen nach dem Gesetz als unschuldig gelten, bis ihre Schuld bewiesen ist. Island ist bei weitem nicht perfekt, es hat aber, wie die anderen nordischen Länder auch, eine lange Tradition von Rechtsstaatlichkeit.

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